Was bei Schlafproblemen hilft – und was nicht

tagesschau16 Dilihat

Je nach Studie leidet etwa jeder Vierte in Deutschland unter Schlafproblemen, jeder Zehnte unter Insomnie. Abhilfe versprechen allerlei Hacks und Gadgets. Was aber hilft wirklich, um wieder gut zu schlafen?

Wer schlecht schläft, ist tagsüber hundemüde, gereizt, dünnhäutig und wenig belastbar. Während wir schlafen, werden Gedanken verarbeitet, Abfallstoffe im Gehirn abtransportiert, das Immunsystem gestärkt.

Schlaf hält Körper und Seele gesund. Wenn dieser Boxenstopp ausbleibt, steigt das Risiko für viele Erkrankungen: Infektionen, Herzinfarkt, Bluthochdruck, Schlaganfälle, Fettleibigkeit, Diabetes, vermutlich sogar Demenz.

Schlaf ist ein Milliardengeschäft. Allein für technische Geräte rund ums Schlafen liegt der Marktwert weltweit derzeitquer durch Analysenbei zum Teil weit über 20 Milliarden US-Dollar. Und die prognostizierten jährlichen Wachstumsraten versprechen eine lukrative Zukunft.

Wobei das größte Schlaf-Tech-Marktsegment Geräte ausmachen, die Schlaf nur als Nebenfunktion überwachen: Smartwatches und Fitness Tracker können Informationen liefern, wie gut die Träger schlafen und sogar wertvolle Hinweise auf Atemaussetzer bei einer Schlafapnoe liefern.

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Vor allem aber messen die Geräte anhand des Pulses über Algorithmen, wie gut der Schlaf war. Das funktioniert erstaunlich zuverlässig – allerdings: "Das Gehirn sitzt nicht am Handgelenk, sondern immer noch im Kopf", schränkt die Schlafforscherin Christine Blume von der Universität Basel ein. Und Schlaf – vor allem, wie wir ihn wahrnehmen – findet eben überwiegend im Gehirn statt.

Außerdem würden die Algorithmen, um vom Puls auf die Schlafqualität zu schließen, vor allem an jungen Menschen trainiert, fügt Neurologin Anna Heidbreder vom Universitätsklinikum Linz hinzu. "Aber sobald Medikamente und Krankheit hinzukommen, ist es so verkompliziert, dass ich es nicht gut nutzen kann." Bei Schlafstörungen könne keine Smartwatch die ärztliche Untersuchung ersetzen, fasst Dieter Riemann, Vorstandssprecher derDeutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, zusammen.

Die Geräte könnten Hinweise liefern – aber die wenigsten von ihnen seien wissenschaftlich erprobt, und der Markt ist, anders als für Medizinprodukte, nicht reguliert. Deswegen sollte man sich bei ernsthaften Problemen weder auf die Messungen verlassen noch sich von ihnen unter Druck setzen lassen. Denn: Druck, Sorgen und Stress sind schlecht für guten Schlaf.

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Erholsameren Schlaf versprechen allerlei Produkte, von smarten belüfteten Decken über Meditationslampen, Noise-Cancelling-Kopfhörern und Anti-Schnarch-Armbändern bis hin zu Lichtweckern. Auch hier gilt: Was hilft, kann jeder und jede Leidgeplagte selbst ausprobieren.

Ein Lichtwecker etwa kann ein sanfteres Aufwachen einleiten. Wer einen schnarchenden Bettgenossen hat, dem können neben Ohrstöpseln auch Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung helfen. Matratze, Kopfkissen und Decke sind ohnehin wichtig, um gut erholt und nicht nassgeschwitzt aufzuwachen. Und alles, was ein helles Schlafzimmer verdunkelt, ist ebenfalls nicht verkehrt.

Wer durch Gadgets oder Produkte aber keine Verbesserung erlebt, rät Schlafforscherin Blume, sollte möglichst schnell zur Hausärztin gehen: "Denn die Sachen, die nachgewiesenermaßen wirklich helfen, wenn jemand unter klinisch bedeutsamen Schlafproblemen oder sogar Schlafstörungen leidet, die lassen sich nicht im Internet bestellen."

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Dasselbe gilt für pflanzliche Mittel. Von Baldrian dürfe man sich am ehesten eine Wirkung erhoffen, sagt Blume, allerdings erst nach einer gewissen Zeit. Lavendelöl sei ebenfalls recht gut untersucht, helfe aber eher Menschen, die wegen Ängstlichkeit, innerer Unruhe oder Reizbarkeit schlecht schlafen.

Vom Bier oder Wein zum Einschlafen dagegen raten Schlafforscher ab. Sobald der Alkohol während des Schlafes abgebaut werde, störe dies das Durchschlafen, sagt Dora Triché, Leiterin des Schlaflabors am Klinikum Nürnberg. Außerdem ist nach neuen Einschätzungen wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung Alkohol auch schon in kleinen Mengen gesundheitlich schädlich.

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Bei Cannabis sei die Studienlage schlecht, fügt Christine Blume hinzu. Die Droge führe eher dazu, dass die Traumphase, der REM-Schlaf, reduziert werde. Am ehesten könne Cannabis noch denen helfen, die wegen Schmerzen nicht schlafen können.

Die Wirkung von Melatonin auf den Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen ist dagegen sehr gut untersucht, ebenso der Einfluss von insbesondere kurzwelligem, also eher blauem, Licht darauf, wie Melatonin ausgeschüttet beziehungsweise gehemmt wird. Wer aber nicht einschlafen kann, dem helfe auch nicht, zum körpereigenen Melatonin zusätzliches von außen hinzuzufügen, so Blume.

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Daneben kursieren in sozialen Medien diverse Sleep Hacks, also einfache Hausmittel, um besser zu schlafen. Von Mouth Taping – sich nachts den Mund zuzukleben – raten die Experten ab. Wer beim Schlafen nicht durch die Nase atmen könne, sollte nicht den anderen Atemweg blockieren. Vom sogenannten Sleepy Girl Mocktail, also einem alkoholfreien Mischgetränk aus Sauerkirschsaft, Magnesiumpulver und Tonic Water, solle man sich ebenfalls nicht zu viel erhoffen, so Schlafforscher Riemann.

Bei anderen Hacks dagegen gelte: Wenn diese einfach ein modernes Wort für bekannte Entspannungs- und Mediationstechniken sind, können sie durchaus helfen. Tiefe Bauchatmung in diversen Techniken kann genauso entspannen wie Progressive Muskelentspannung nach Jacobson und Meditation.

Am Ende ist Gelassenheit der beste Garant für erholsamen Schlaf. Wer unter Dauerdruck und Stress steht, kann durch achtsame Momente und Entspannungsübungen tagsüber Linderung finden und dadurch nachts besser schlafen. Denn Schlaf findet im Leben statt. Deshalb kann auch ein einziges Wundermittel nicht den Unterschied machen. Und jeder, der unter einer schweren Schlafstörung wie Insomnie leidet – das betrifft immerhinbis zu jeden zehnten Mensch in Europa- sollte möglichst schnell Hilfe holen.

Dieses Thema im Programm:Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 05. März 2024 um 05:00 Uhr.

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