Die Macht der rechten Meinungsmacher in Frankreich

tagesschau8 Dilihat

Sie wollen ein nationalistisches Frankreich mit weniger Migranten und ohne "Wokeness" – und ihr Einfluss auf die öffentliche Meinung wächst: Milliardäre wie Bolloré und Stérin werden zum "Schalthebel für die extreme Rechte".

In Paris fand diese Woche ein Gipfeltreffen der besonderen Art statt. Im altehrwürdigen Casino de Paris im Herzen der Stadt trafen sich Parteienvertreter, Unternehmer und Journalisten des extrem rechten politischen Spektrums zu einem "sommet des libertés" – einem "Gipfel der Freiheiten".

Der Chef der größten Oppositionspartei Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, war ebenso vertreten wie die Europaabgeordnete Sarah Knafo von der rechtsnationalen Partei Reconquête!, der abtrünnige Republikaner Éric Ciotti, der mit seiner eigenen Splitterpartei UDR 2024 ein Wahlbündnis mit dem RN eingegangen war oder auch die Nichte Marine Le Pens, Marion Maréchal, Gallionsfigur der konservativ-identitären Strömung.

Flankiert von rechten Publizisten und libertären Unternehmern trugen die Politiker und Politikerinnen hier ihre Vision von Frankreich vor. Eine Vision, in der alle kriminellen Ausländer abgeschoben sind, Steuergelder für Fahrradwege und Gewerkschaften gestrichen werden, der "Wokeness" ausgemerzt ist und die "Ur-Französinnen" im Schnitt wieder mindestens zwei Kinder zur Welt bringen, um den angeblich "großen Austausch" durch Muslime abzuwenden.

Organisiert und finanziert wurde dieses Rendezvous der Rechten von zwei Milliardären: Vincent Bolloré und Pierre-Édouard Stérin. Die beiden Unternehmer sind Verbündete im Geiste, auch wenn sie auf sehr unterschiedliche Art und Weise wirken.

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Bolloré, der sein Geld mit Zigarettenpapier sowie internationalen Logistik- und Transportfirmen verdient hat, kaufe schon seit Jahren verschiedene Medien auf, erklärt Medien-Historiker Alexis Levrier von der Universität in Reims: "Der Kreuzzug von Bolloré funktioniert so, dass er sich Marken aneignet, die eigentlich dem politischen Zentrum oder dem progressiven Lager angehören. Dann dreht er den Kern dieser Marken völlig um."

Bolloré installiert auf den Chefposten Journalisten, die auf Linie sind, woraufhin Redakteurinnen und Redakteure scharenweise die Kündigung einreichen. Wer nicht den Mut hat zu gehen, passt sich an. Das hat Bolloré beim TV-Sender Canal+ so gemacht, bei CNews, beim Radiosender Europe 1, bei der Sonntagszeitung Le Journal de Dimanche, und zuletzt hat er das Verlagshaus Fayard übernommen. Die neu eingesetzte Verlagsleiterin Lise Boëll publizierte prompt die Autobiografie von Jordan Bardella.

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Während der erzkatholische Bretone Bolloré schon seit mindestens zehn Jahren als rechter Akteur in der Medienbranche aktiv ist, kommt der Einfluss Stérins erst nach und nach ans Licht der Öffentlichkeit. Der tiefgläubige Katholik sagt von sich selbst, dass er möglichst tugendhaft sein wolle, um "ein Heiliger zu werden". Dies sei sein Traum, sein Antrieb, sein "irdischer Driver".

Dass der fünffache Vater seit 2012 als Steuerflüchtling in Belgien lebt, scheint für Stérin nicht im Widerspruch zur Tugendhaftigkeit zu stehen. Der libertäre Unternehmer rechtfertigt seinen Schritt so: "Ich bin dem Staat gegenüber sehr kritisch eingestellt. So viele Freiheiten werden beschnitten und die ganzen Steuern, die man uns auferlegt, werden schlecht verwendet." Das sei der Hauptgrund dafür, dass er Frankreich 2012 verlassen und sich in Belgien niedergelassen habe.

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Stérin hat einen Plan, genannt "Pericles" – ein Akronym für patriotisch, verwurzelt, widerstandsfähig, identitär, christlich, liberal, europäisch und souveränistisch. "Pericles" muss als Schlachtplan verstanden werden, um die öffentliche Meinung und die politische Macht zu erobern. Dafür investiert Stérin über einen Zeitraum von zehn Jahren angeblich 150 Millionen Euro.

Er fördert eine Journalistenschule, ein Institut zur Fortbildung von Politikern und fundamentalistische katholische Influencerinnen und Influencer. Er hat einen Wohltätigkeitsfonds gegründet, will Privatschulen eröffnen, finanziert rechte Konten auf X und Bürgerinitiativen gegen Abtreibung.

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Stérins "Pericles"-Plan ergänze perfekt Bollorés Medienimperium, sagt Thomas Lemahieu. Der Journalist bei der der Kommunistischen Partei nahestehenden Zeitung L’humanité hat "Pericles" im Juli 2024 aufgedeckt. Eigentlich hätte Stérin im Verborgenen agieren wollen: "Er liefert Bolloré noch mehr Kunden für seine rechten Medien, aber auch für konservative Medien anderer Gruppen. Stérin gibt Meinungsumfragen, Studien zum Islamismus, zur Demografie und zum Wokismus in Auftrag und finanziert sogenannte Experten, die dann in Bollorés Sendungen auftreten."

Auf diese Weise hätten sie einen in Frankreich nie dagewesenen "Schalthebel für die extreme Rechte" geschaffen, ergänzt Medienhistoriker Alexis Lévrier, der diese Macht am eigenen Leib erfahren hat. Da er die Entscheidung der Medienaufsicht L‘Arcom verteidigte, den Bolloré-TV-Sender C8 zu schließen – die Lizenz lief ab und C8 hatte wegen der diskriminierenden Hasstiraden seines Moderators Cyril Hanouna zahlreiche millionenschwere Geldstrafen hinnehmen müssen – bekam Lévrier Morddrohungen. Dazu veröffentlichte Bollorés 24 Stunden Kanal CNews (nach dem Vorbild von Fox News) ein diffamierendes Portrait über Lévrier.

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Das französische Mediengesetz aus den 1980er-Jahren sei nicht geeignet, um jemanden wie Bolloré aufzuhalten, erklärt Lévrier. Die Vorgaben seien veraltet und nicht an die digitale Mediennutzung angepasst. Ein neues Gesetz, das dafür gesorgt hätte, dass Chefredakteursposten nur noch mit Zustimmung der Redaktionsbelegschaft hätten besetzt werden können, scheiterte.

"Dieses Gesetz hätte verhindert, dass Bolloré Redaktionen zerstört. Und es hätte auch abschreckende Wirkung für andere milliardenschwere Medienunternehmer wie Rodolphe Saadé oder Bernard Arnaud gehabt." Doch anscheinend habe es im Macron-Lager nicht den politischen Willen gegeben, dieses Gesetz durchzubringen, kritisiert Lévrier.

Wie groß mittlerweile der politische Einfluss von Akteuren wie Bolloré und Stérin ist, lässt sich daran ablesen, dass Politiker den Konflikt mit der mächtigen Bolloré-Mediengruppe scheuen. Minister geben quasi wöchentlich Interviews im Journal de Dimanche. Und in einer Ausschusssitzung zur Vergabe von TV-Rechten wurde Bolloré von den Abgeordneten des Zentrums und des rechten Lagers mit Samthandschuhen angefasst.

Stérin hingegen ließ sich gar nicht erst dazu herab, der Einladung der Assemblee Nationale zu folgen. Das Parlament hatte ihn Anfang Juni nach Paris gebeten, um zu ergründen, ob Stérin mit seinem "Pericles"-Plan die französischen Regeln zur Parteienfinanzierung aushebele; schließlich ist es Sterins erklärtes Ziel, dem Rassemblement National bei den Kommunalwahlen im Jahr 2026 zum Sieg in 300 Kommunen zu verhelfen. Doch Sterin blieb in Belgien. Wie gesagt, er ist dem französischen Staat gegenüber "kritisch eingestellt".

Dieses Thema im Programm:Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26 Juni 2025 um 09:17 Uhr.

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