Bürgerkrieg im Sudan: Die größte Migrationskrise der Welt

Seit mehr als zwei Jahren tobt im Sudan ein Bürgerkrieg. 14 Millionen Menschen mussten innerhalb des Landes fliehen. Wer es in eines der Nachbarländer schafft, muss auch dort Vertreibung fürchten.

Schlange stehen für ein paar Tütchen Vitaminpulver für die Kinder – Alltag im Flüchtlingslager Zamzam in Darfur im Westen des Sudan. Bilder der Nachrichtenagentur Reuters zeigen die Verzweiflung, mit der Frauen versuchen, ihren Kindern wenigstens das Allernötigste an Nahrung zu beschaffen. Sie alle sind Vertriebene, geflohen vor dem Krieg in ihrer Heimat

"Unser Leben ist sehr schwierig", schildert Mutter Halima. "Wir sind jetzt schon sechs Mal geflohen, von einem Ort zum nächsten, bis die Kämpfe uns auch dort erreichten." Ihre Kinder seien unterernährt, das Essen reiche noch nicht mal für die Babys und die kleinsten Kinder, sagt Halima. "Die meisten Kinder bekommen nur eine Mahlzeit am Tag."

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Seit mehr als zwei Jahren tobt der Krieg im Sudan. Zwei Generäle kämpfen um die Macht und stürzen ein ganzes Land ins Chaos. Die heftigen Gefechte und das grausame Vorgehen beider Kriegsparteien ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung hat zur größten Migrationskrise der Welt geführt – rund 14 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht.

Die Lage zum Beispiel in der Hauptstadt Khartum ist katastrophal, sagt Laurent Bukera vom UN-Welternährungsprogramm: "Die Bedürfnisse sind riesig. Wir sehen extreme Zerstörung, begrenzten Zugang zu Trinkwasser, kaum Strom, die Cholera ist ausgebrochen. Manche Viertel sind wie Geisterstädte."

Vor zwei Jahren begann der Bürgerkrieg im Sudan. Droht nun die Teilung des riesigen Landes?mehr

Rund vier Millionen Sudanesen haben das Grauen hinter sich lassen können und es ins Ausland geschafft. Jeden Tag versuchen laut UN-Flüchtlingshilfswerk rund 1.000 weitere Menschen, den Sudan zu verlassen.

Viele davon fliehen ins nördliche Nachbarland, nach Ägypten. So wie Sahar. Als der Krieg ausbrach, wollte die junge Ingenieurin eigentlich gerade ihre Doktorarbeit schreiben, jetzt lebt sie als Flüchtling unter schwierigen Umständen in Ägyptens Hauptstadt Kairo.

"Es ist sehr schwierig, Arbeit zu finden. Wir sind viele Flüchtlinge. Unsere Verwandten sind überall verstreut, viele sind noch im Sudan und dort vertrieben, manche in anderen Ländern." Es sei schwer, überhaupt Kontakt zu halten und zu erfahren, ob sie in Sicherheit seien, sagt Sahar. "Und wir versuchen, hier ein neues Leben aufzubauen. Aber einfach so, ohne Hilfe, ist das sehr schwierig."

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Oft teilen sich viele Flüchtlinge eine kleine Wohnung, schwärmen tagsüber aus, um irgendeinen Job als Hilfsarbeiter zu bekommen. Sudanesische Kinder können oft nicht zur Schule gehen, weil sich die Eltern das Schulgeld nicht leisten können. Zudem haben viele Flüchtlinge keine Aufenthaltserlaubnis.

So wie der 25-jährige Bahr."Wir haben mit acht Leuten ein Einzimmerappartment gemietet", erzählt er. "Wenn die Polizei kam, rannten wir davon, denn sie hätte uns sofort abgeschoben, wir waren alle illegal im Land.

Hunderttausende Sudanesen seien nach Ägypten geflohen, bestätigt Mohamed Lotfy von der ägyptischen Menschenrechtsorgansation ECRF. "Erst konnten sie bleiben, aber seit ein neues Asylgesetz Ende letzten Jahres erlassen wurde, sehen wir viele Abschiebungen zurück in den Sudan." Deshalb fühlten sich viele Sudanesen in Ägypten nicht mehr sicher und flüchteten erneut, meist nach Europa.

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Auch Bahr sah als Flüchtling für sich in Ägypten keine Chance und machte sich auf eine gefährliche Reise: Mit Schmugglern weiter nach Libyen. "Von Ägypten aus wurden wir über die Berge nach Libyen geschmuggelt. Eine sehr schwierige Route." Die Schmuggler haben sie nicht als Menschen betrachtet, sondern wie Tiere behandelt, erzählt der 25-Jährige.

"Sie haben uns mit Steinen beworfen. Wir dachten, es würde besser werden, aber Libyen war schlimmer als der Sudan und Ägypten zusammen."

Bahr wagte die gefährliche Überfahrt mit einem überfüllten Flüchtlingsboot nach Europa. "Wir wussten, dass die Reise gefährlich werden würde. Aber gefährlich war es so oder so. Im Sudan wären wir fast gestorben, in Ägypten und Libyen konnten wir nicht bleiben. Wir sagten uns: Entweder wir sterben oder wir schaffen es."

Der 25-Jährige hat es nach Griechenland geschafft. Eine Perspektive sieht er auch dort nicht als Flüchtling – doch es ist immer noch besser als der Krieg und die riesige Not in seiner Heimat, dem Sudan.

Gespräche mit Iran – Chance für die europäische Diplomatie?

In Genf treffen sich heute mehrere europäische Außenminister mit ihrem iranischen Kollegen. Kann eine Annäherung gelingen? Der große militärische Druck auf Teheran könnte dies begünstigen.

Vor dem Auswärtigen Amt sehnen sich einige Demonstranten nach der Monarchie. Ein paar Dutzend Menschen sind dem Aufruf von Alireza Sina zu einer Kundgebung gefolgt. "Maximalen Druck auf das iranische Regime" fordern sie auf Transparenten und halten Fotos von Reza Pahlavi in die Luft. Er ist der älteste Sohn des letzten Shahs und iranischer Kronprinz.

Sina hat eine Botschaft an die Bundesregierung mit in die Hauptstadt gebracht.Die für heute geplanten Verhandlungen mit dem Iranfindet er falsch. Stattdessen solle Deutschland "jegliche Beziehungen mit dem Regime abbrechen". Die EU versuche, mit "Appeasement-Politik" den Iran zu verändern. "Was hat das in den letzten 46 Jahren gebracht? Nichts!", gibt sich Sina überzeugt.

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Die Verhandlungen werden wohl trotz Sinas Intervention stattfinden. Im schweizerischen Genf wollen die Außenminister der sogenannten E3, also Deutschland, Frankreich und Großbritannien, mit ihrem iranischen Amtskollegen Abbas Araghchi über die Zukunft des Atomprogramms sprechen. Auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas soll an dem Gespräch teilnehmen.

Wo die Bundesregierung in dem Konflikt steht, hat Bundeskanzler Friedrich Merz erst vor wenigen Tagen imARD-Interviewklargemacht: "Es wäre gut, wenn dieses Regime an sein Ende käme", sagte Merz an Teheran adressiert.

Außenminister Johann Wadephul spricht in derARD-SendungMaischbergervon der Bedrohung, die vom Iran ausgehe und nicht nur Israel betreffe, sondern "auch uns". Zwar habe der Iran sein Atomprogramm zuletzt verlangsamt. Die Anreicherung jedoch "unzweifelhaft fortgesetzt" und zwar "deutlich über einem zivilen Niveau". Welche Vermittlerrolle kann Deutschland also einnehmen und mit welchen Erwartungen reisen die E3-Minister nach Genf?

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Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Norbert Röttgen, hat die Ampel-Regierung oft für ihre nicht schlüssige Iran-Politik kritisiert. Jetzt sieht er Deutschland in einer "klaren Position". Sein Parteifreund und Bundeskanzler Merz habe "Führung übernommen" und klargemacht, dass die Gefahr vom Iran ausgehe, indem das Land versuche Atommacht zu werden.

Das sei ein entscheidender Punkt und "wirklicher Unterschied zur früheren Nahostpolitik", so Röttgen. Ob es auch zu einem wirklichen Unterschied bei den Verhandlungen kommt, bleibt unklar. Röttgen weist auch darauf hin, dass der Iran in Verhandlungen jahrelang die "Europäer an der Nase herumgeführt" habe, um Atommacht zu werden.

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Warum also weiter verhandeln, wenn Diplomatie auch in der Vergangenheit das iranische Atomprogramm nicht stoppen konnte? "Wir müssen beweisen, dass wir noch in der Lage sind, Konflikte auf dieser Welt diplomatisch zu lösen“, sagt der außenpolitische Sprecher der SPD, Adis Ahmetovic.

Das iranische Regime müsse zurück an den Verhandlungstisch bewegt werden. Deutschland genieße großes Vertrauen im Nahen Osten, auch wegen der Rolle bei den Verhandlungen zum Atomabkommen von 2015, so Ahmetovic.

Tatsächlich war Deutschland vor zehn Jahren maßgeblich am Zustandekommen des Atomabkommens mit dem Iran beteiligt. Neben den E3-Ländern gehörten damals noch die USA, Russland und China der Verhandlungsgruppe an.

2018 stiegen die USA unter US-Präsident Trump einseitig aus dem Atomabkommen aus. Die Amerikaner sitzen in Genf zwar nicht mit am Tisch, Ahmetovic setzt aber dennoch auf Erfolg: einen ähnlichen Deal wie 2015 zu finden, sei "genau richtig."

Der Grünen-Politiker und stellvertretende Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour sagt imARD-Morgenmagazin, er halte die diplomatischen Bemühungen für "sehr gut und wichtig." Vielmehr sei es vielleicht die letzte Chance "um den ganz großen Knall" zu verhindern. Er ist selbst als 13-Jähriger mit der Familie aus dem Iran nach Deutschland geflohen.

Aber während die Europäer darüber reden möchten, dass der Iran das Atomprogramm nur zivil nutzt, sprach US-Präsident Trump zuletzt von "bedingungsloser Kapitulation". Wenn es nach ihm geht,soll der Iran sein Atomprogramm komplett aufgeben."Da gibt es große Unklarheiten", sagt Nouripour. "Daher ist die Frage, ob die Europäer so verhandeln, damit die Amerikaner zufrieden sein können".

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Zwar ist die europäische Diplomatie in der Vergangenheit schon oft an ihre Grenzen gestoßen. Außenpolitiker Röttgen sieht in den Gesprächen in Genf dennoch ein Chance, denn die Situation des Irans sei jetzt eine andere, das Regime existenziell bedroht.

Möglicherweise ist eine Aufgabe des Atomprogramms für sie aktuell "das geringere Übel", sagt Röttgen. "Die Gelegenheit sollte dem Regime gegeben werden. Es ist gut, sie durch die Europäer zu bekommen".

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BlackRocks Steuertricks kosten die EU laut einer Studie Millionen

Trickreiche Steuersparmodelle des US-Finanzriesen BlackRock bescheren der EU jedes Jahr Einnahmeverluste in zweistelliger Millionenhöhe. Das zeigt eine Studie, die demARD-Studio Brüsselund der Süddeutschen Zeitung exklusiv vorliegt.

Der weltweit größte Vermögensverwalter BlackRock ist auch in Sachen Steuerminimierung vorn dabei. Es sei ein aggressives, aber rechtlich zulässiges Steuermanagement, sagt der türkische Volkswirtschaftler Ceyhun Elgin. Der Professor von der Boğaziçi-Universität in Istanbul, der zuvor auch an renommierten US-Universitäten wie der Columbia University lehrte, hat eine Analyse erstellt. DieStudiezeige, dass BlackRock zur Steuervermeidung in der EU ausgeklügelte Strategien nutzt.

"Damit erreicht das Unternehmen für sich effektive Steuersätze, die etwa halb so hoch sind, wie die gesetzlichen Steuersätze in wichtigen EU-Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien", erklärt Elgin. Die Folge seien erhebliche Verluste an öffentlichen Einnahmen. Für die EU werden sie auf 500 Millionen bis eine Milliarde Euro zwischen 2017 und 2023 geschätzt. Allein Deutschland würden so jedes Jahr mindestens 50 Millionen Euro entgehen.

Mehr Informationsaustausch mit Ländern wie den USA soll dabei helfen, dass Konzerne keine Steuerschlupflöcher ausnutzen.mehr

BlackRock teilt dagegen auf Anfrage schriftlich mit, dass die Studie falsche und irreführende Behauptungen enthalte: "BlackRock zahlt Steuern, gemäß den von den jeweiligen Steuerbehörden festgelegten Steuersätzen". Das Unternehmen werde von unabhängigen Steuerexperten und Rechtsanwälten über die Verpflichtungen beraten und man handele "konservativ, um sicherzustellen, dass BlackRock alle gesetzlich vorgeschriebenen Steuern" zahle.

Durch konzerninterne Transaktionen werde die Steuerbelastung des Unternehmens erheblich reduziert, argumentiert Elgin. BlackRock untergrabe die Steuerfairness, indem systematisch Lücken und Schwachstellen in den internationalen Steuerregelungen ausgenutzt würden.

"Diese Steuervermeidungsmodelle basieren vor allem auf zwei Mechanismen: Verrechnungspreise und Gewinnverlagerungen. Zum Beispiel berechnet BlackRock seinen Tochtergesellschaften in Hochsteuerländern wie Deutschland oder Frankreich sehr hohe interne Lizenzgebühren für die Nutzung der BlackRock Investment- und Risikosoftware "Aladdin." Diese Gebühren minderten die steuerpflichtigen Gewinne deutlich, erläutert Elgin weiter. Gleichzeitig flössen diese Gebühren als Einkünfte an Tochtergesellschaften mit Sitz in Ländern wie Irland oder Luxemburg, die viel niedrigere Steuersätze haben.

Ermittler haben offenbar Räume des Vermögensverwalters Blackrock in München durchsucht.mehr

Die BlackRock-Töchter dort sind oft so genannte tote Gesellschaften, die zwar formal existieren, jedoch vor Ort kaum wirtschaftlich aktiv sind, weil sie vor allem steuerlichen Zwecken dienen. Mit solchen Strategien werde den öffentlichen Haushalten viel Geld entzogen, das beispielsweise in Bildung oder Gesundheit investiert werden könnte, sagt der Europaparlamentarier Martin Schirdewan.

Der Co-Vorsitzende der Linken-Fraktion im EU-Parlament hat die Studie in Auftrag gegeben und sieht in dem Ergebnis auch eine Belastung für Friedrich Merz. Der war von 2016 bis 2020 Aufsichtsratsvorsitzender von BlackRock Deutschland. Es kratze durchaus an der Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers, sich an solchen Steuervermeidungspraktiken beteiligt zu haben, sagt Schirdewan. "Da Friedrich Merz Aufsichtsratsvorsitzender von BlackRock Deutschland ja offenkundig sich ein sehr umfangreiches Wissen angeeignet hat, wie Steuervermeidung funktioniert, finde ich, kann er jetzt als Bundeskanzler von diesem Wissen auch Gebrauch machen und die Steuerschlupflöcher schließen."

Friedrich Merz, Anwärter für den CDU-Vorsitz, lobt seinen früheren Arbeitgeber BlackRock als nachhaltig.mehr

In diesem Sinne empfiehlt die Studie eine umfassende Berichtspflicht für große Unternehmen, die in der EU aktiv sind. So müssten vor allem Informationen über Gewinne, Umsätze, Transaktionen und alle gezahlten Steuern offengelegt werden. Gleichzeitig brauche es eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Steuerbehörden und sollten Konzerne, denen es an der nötigen Transparenz mangele, von öffentlichen Aufträgen oder beratenden Funktionen bei EU-Institutionen ausgeschlossen werden.

“Der weiße Hai” schuf vor 50 Jahren neue Maßstäbe in der Filmmusik

"Der weiße Hai" war nicht nur die Geburt des Sommer-Eventkino vor 50 Jahren, sondern setzte auch neue Maßstäbe in der Filmmusik. Kein moderner Blockbuster kommt seitdem ohne einprägsame musikalische Signatur aus.

Es sind nur zwei Töne. Doch sie genügen, um bis heute Angst und Beklemmung auszulösen: "Der weiße Hai", vor 50 Jahren ins Kino gekommen, wäre ohne die Musik von John Williams kaum zu dem geworden, was er ist: ein Meisterwerk der Spannungserzeugung.

Als der Film am 20. Juni 1975 in den USA anlief, veränderte er das Kino grundlegend. Er begründete das Zeitalter der Blockbuster: Millionen Zuschauer strömten in die Kinos, das Sommer-Eventkino war geboren. Doch es war nicht nur der bedrohliche Hai, der das Publikum packte – es war vor allem die Musik, die dem Tier eine unsichtbare Präsenz gab.

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Komponist Williams schuf mit dem Zwei-Ton-Motiv – den Noten E und F- eines der berühmtesten Themen der Filmgeschichte. Es ist so schlicht wie effektiv: Der Hai ist oft gar nicht zu sehen, aber wenn die beiden tiefen Töne erklingen, steigt die Spannung unaufhaltsam.

"Wenn es darum geht, mit wenigen Mitteln auf den Punkt zu kommen und ein Gefühl sofort zu transportieren, ist John Williams nicht zu übertreffen", sagt Filmkomponist Ralf Wengenmayr, bekannt durch die Musik zu "Der Schuh des Manitu" oder "Ballon".

Williams formulierte sein musikalisches Konzept später so: "Es musste etwas sein, das tief klingt, weil der Hai aus der Tiefe kommt. Und es musste wie ein unaufhaltsames Herannahen wirken." Regisseur Steven Spielberg war jedoch zunächst skeptisch. Als Williams ihm das Thema am Klavier vorspielte, hielt er es für einen Scherz. Doch gerade die Einfachheit erwies sich als Geniestreich.

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Das Zwei-Ton-Motiv wirkt so stark, weil es eine Urangst anspricht – die Angst vor dem Unbekannten, das sich nähert. Dabei hat "Der weiße Hai" einen ähnlichen Effekt wie Alfred Hitchcocks Klassiker "Psycho". Er traumatisierte Generationen von Zuschauern. Während Hitchcock das Duschen unheimlich machte, ließ Spielberg Millionen von Menschen den Ozean mit anderen Augen sehen.

Für den Filmkomponisten Wengenmayr ist es die Reduktion auf das Wesentliche, die den Soundtrack so besonders macht. Er verweist auf Parallelen zu Igor Strawinskys "Le Sacre du Printemps". Beide Stücke arbeiten mit kleinen Intervallen, die in Kombination mit rhythmischen Elementen Spannung aufbauen.

Williams verstand es, die Musik als Erzähler einzusetzen. Der Hai bekam durch die Musik eine Stimme – unsichtbar, aber umso bedrohlicher. Williams erklärte dazu: "Wenn man die Musik ganz leise und langsam spielt, deutet man nur an, dass der Hai da sein könnte. Aber wenn es lauter und schneller wird, spürt man die Gefahr unmittelbar."

Die gesamte Filmmusik zu "Der weiße Hai" ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Die opulenten Orchesterpassagen etwa im Showdown auf See gehören mit zum Besten, was das Genre zu bieten hat.

Williams’ Arbeit prägte nicht nur diesen Film, sondern das gesamte Genre des Blockbuster-Kinos. Kaum ein großer Action- oder Abenteuerfilm kommt seither ohne eine einprägsame musikalische Signatur aus. Der Hai-Sound steht noch heute für ein Prinzip: mit einfachsten Mitteln größtmögliche Wirkung zu erzielen.

Mehr Flexibilität mit Arbeitszeitkonten erreichen

Arbeitszeit, das ist für viele Menschen schon lange nicht mehr der klassische Acht-Stunden-Tag. Mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit, dafür kann auch ein so genanntes Arbeitszeitkonto genutzt werden.

Flexibel arbeiten? Für ein paar Monate aus dem Job aussteigen? Angehörige pflegen oder gar früher in die Rente starten? Mit einem Arbeitszeitkonto ist das möglich.

Mit einem solchen Konto kann man gewissermaßen Zeit auf die "hohe Kante" legen. Wer mehr arbeitet, kann gesammelte Plusstunden später nutzen. Solche Mehrarbeit kann das Arbeitszeitkonto über Monate oder sogar viele Jahre auffüllen.

Eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden galt lange als soziale Errungenschaft.mehr

Aber nicht nur Arbeitszeit kann ins eigene Konto fließen, wie Klaus Morgenstern vom Deutschen Institut für Altersvorsorge erklärt: "Es können auch Gratifikationen eingebracht werden, wie zum Beispiel Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld. Auch Boni oder Prämien, die der Arbeitgeber vielleicht einmal im Jahr zahlt, können ins Arbeitzeitkonto 'eingezahlt' werden." Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können darüber hinaus auch aus dem laufenden Gehalt Rücklagen bilden, wenn das die Ausgestaltung des Arbeitszeitkontos zugelässt.

Für die Mitarbeitenden bietet das Konto also die Möglichkeit, Zeit zu sparen und dann zu nutzen, wenn sie gebraucht wird. Zum Beispiel, um die lange geplante Auszeit zu nehmen, sei es für ein "Sabbatical" oder eine lange geplante Reise.

Die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland liegt nur knapp unter dem EU-Schnitt.mehr

Aber auch für die Unternehmen bietet ein solches Lebensarbeitszeit-Konto Vorteile, sagt Andreas Peiter, Arbeitszeit-Experte bei der R+V Versicherung: "Für Arbeitgeber entsteht damit die Möglichkeit, sich attraktiv aufzustellen und Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, individuell ihre Lebensarbeitszeit zu gestalten". Damit könnten sie nicht nur früher in den Ruhestand gehen, sondern auch die sogenannten gesetzlichen "Freistellungszwecke" zu nutzen, "also zum Beispiel eine längere Freizeit zu nehmen, etwa für die Pflege der Eltern."

Auf Lebensarbeitszeitkonten werden alle "Einzahlungen" in Geld umgerechnet, so Peiter: "Das heißt, wenn ein Mitarbeiter heute fünf Überstunden einbringt oder vielleicht zwei Urlaubstage, dann wird diese Zeit umgerechnet in Geld, wird dann auf dem Arbeitszeitkonto geparkt und verzinst sich ganz normal." Wenn dann eine "Entnahme" vom Konto stattfindet, etwa um eine längere Auszeit durch das Arbeitszeitkonto abzudecken, findet eine Rückumrechnung in Zeit statt.

Die Bundesregierung möchte statt der bisherigen täglichen Höchstarbeitszeit eine Begrenzung pro Woche einführen.mehr

Einen Anspruch auf ein Arbeitzeitkonto haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht – im Gegensatz zum Beispiel zur betrieblichen Altersvorsorge, die von Unternehmen verpflichtend angeboten werden muss. Gesetzliche Grundlagen für ein Arbeitszeitkonto bietet einerseits das "Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen", das so genannte Flexi II-Gesetz. Es ermöglicht in der aktuellen Fassung von 2009, Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum zu sparen.

Das Arbeitszeitgesetz sorgt wiederum dafür, dass auf dem Lebensarbeitszeitkonto nicht unbegrenzt viele Stunden angesammelt werden dürfen. Damit sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschützt werden.

Arbeitnehmende und Arbeitgeber müssen bei der Einführung von Arbeitszeitmodellen also an einem Strang ziehen, meint auch Vorsorge-Experte Morgenstern: "Die Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber ein Zeitwertkonto eingerichtet hat. Und dann kann jeder für sich selbst entscheiden: Trägt er dort Lohnbestandteile ein oder macht er es nicht?" In jedem Fall müsse sich der Arbeitgeber zunächst für eine solche Lösung entscheiden.

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Bislang sind es in Deutschland nur rund ein Zehntel aller Unternehmen, die Lebensarbeitszeit-Konto im Angebot haben. Viele scheuen noch den Aufwand, die Konten einzurichten und sie fortlaufend zu betreuen.

Dabei können Arbeitszeitkonten komplett aus dem Unternehmen ausgelagert werden, zum Beispiel an eine Versicherung. Große Versicherungsunternehmen legen dabei das angesammelte Kapital an, das zu üblichen Zinsen garantiert wird. Sie sorgen außerdem für die Verwaltung der Arbeitszeitkonten. Und nicht zuletzt sorgen sie auch für einen Insolvenzsschutz. Sollte also das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten, sind die Rücklagen gesichert.

Fast die Hälfte der Babyboomer im Rentenalter ist vorzeitig in Rente gegangen, die Kosten sind immens.mehr

Beim Jobwechsel können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Ersparnisse in Geld und Zeit grundsätzlich zu einem neuen Arbeitgeber übertragen lassen. Dies funktioniert allerdings nur dann reibungslos, wenn die neue Firma ein ähnliches Modell anbietet oder wenn das Konto über einen externen Anbieter verwaltet wird.

Alternativ kann das Guthaben auf Antrag an die Deutsche Rentenversicherung übertragen, die es bis zum Rentenantritt treuhänderisch verwaltet. Als dritte Möglichkeit kann das Guthaben auf dem Lebensarbeitszeitkonto auch ausgezahlt werden. Dabei besteht allerdings grundsätzlich eine Steuerpflicht.

Krieg in Nahost: Was bezweckt Trump mit zwei Wochen Bedenkzeit?

US-Präsident Trump hat angekündigt, binnen zwei Wochen eine Entscheidung treffen zu wollen, ob die USA in den Krieg zwischen Israel und Iran eingreifen. Was könnte diese Aussage bedeuten?

Äußerungen von US-Präsident Donald Trump hatten in den vergangenen Tagen zu Spekulationen geführt, ob und wann die USA in den Krieg Israels gegen den Iran einsteigen. Von einer Entscheidung innerhalb von zwei Wochen sprach er nun am Donnerstag. Ein Reporter stellt bei der Pressekonferenz im Weißen Haus die Frage, die vielen durch den Kopf geht: "Im Zusammenhang mit Russland hat der Präsident mehrfach Zwei-Wochen-Deadlines genannt. Wie können wir sicher sein, dass er sich jetzt bei der Entscheidung über den Iran daran hält?"

Trump-Sprecherin Karoline Leavitt reagiert nach bekanntem Muster: "Es handelt sich um zwei unterschiedliche komplexe Konflikte, die der Präsident von seinem inkompetenten Vorgänger geerbt hat. Und der Präsident hat viel Zeit und Mühe investiert, um hier aufzuräumen."

Gemeint ist natürlich Joe Biden, den der amtierende Präsident und sein engster Kreis immer noch für alles Übel verantwortlich machen.

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Hinter der Frage steckt ein Satz, der Donald Trump überhaupt nicht gefällt: "Trump always chickens out" oder kurz: "Taco". Etwas grob zu übersetzen mit: "Trump zieht immer den Schwanz ein". Bisher benutzt mit Bezug auf Trumps massive Zolldrohungen, die er – bei Widerstand der betroffenen Länder – immer wieder abschwächte.

Das sei ein Problem, auch in der aktuellen Iran-Krise, sagt John Bolton, Sicherheitsberater in Trumps erster Amtszeit: "Ich glaube, die Ayatollahs warten jetzt, ob das wieder so ein Taco-Moment ist. Er wartet, dass sie sich bewegen – und sie umgekehrt. Ich hätte mich am Angriff der Israelis auf den Iran direkt beteiligt. Und hätte das vielleicht schon vor 20 Jahren getan", sagt der Falke Bolton.

Er hat Trump in ähnlichen Situationen kennengelernt – und das Weiße Haus nach gerade mal eineinhalb Jahren im Streit verlassen. "Er mag einfach keine Entscheidungen, die er am nächsten Tag nicht wieder rückgängig machen kann."

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Es gibt aber auch andere Stimmen zu Trumps Zwei-Wochen-Frist. Laura Holgat arbeitete für die Präsidenten Barack Obama und Joe Biden in der Internationalen Atomenergiebehörde. Zu Gast bei CNN hofft sie, dass jetzt Raum ist für eine Verhandlungslösung: "Der Angriff auf die unterirdischeAtomanlagen in Fordowürde nur eine Verzögerung bewirken. Es wird nicht gelingen, das iranische Atomprogramm vollständig zu eliminieren. Das Know-how, das sie erworben haben. Es gibt eine Gruppe von Leuten, die mit diesem Material umgehen können. Das verschwindet nicht einfach." Ohne ein neues Abkommen bestehe die Gefahr, dass das Atomprogramm im Verborgenen weiter geht.

Auch viele Demokraten hoffen jetzt, dass der Präsident den Militäreinsatz wieder abbläst. Denn eigentlich wolle er ja einen Deal und keine Waffen, meint Jeff Merkley, Mitglied im außenpolitischen Ausschuss des Senats. "Er will ein Verhandler sein und Frieden bringen. Oder will er in die Geschichte eingehen als weiterer republikanischer Präsident, der dem Druck nachgibt und hineinschlittert in einen Krieg im Nahen Osten?"

Der demokratische Senator spielt an auf George Bush und seinen Sohn George W. Bush, die jeweils einen Krieg mit dem Irak begannen.

Wie sich Donald Trump jetzt entscheiden wird? Seine Sprecherin hat keine abschließende Antwort. "Wenn der Präsident eine Chance für Diplomatie sieht, wird er sie ergreifen." Aber er habe auch keine Angst, Stärke zu zeigen.

Urteil: US-Präsident Trump behält Kommando über die Nationalgarde

US-Präsident Trump hat im Streit um den Einsatz der Nationalgarde in Kalifornien einen weiteren Etappensieg erzielt. Die US-Regierung dürfe die Kontrolle über die rund 4.000 Soldaten behalten, entschied ein Berufungsgericht.

Ein Berufungsgericht hat US-Präsident Donald Trump weiterhin die Kontrolle über die Nationalgarde in Los Angeles überlassen. Dies entschied ein dreiköpfiges Richtergremium am Donnerstag (Ortszeit). Damit wird das Urteil eines Richters der unteren Instanz aufgehoben. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass "der Präsident wahrscheinlich rechtmäßig von seiner gesetzlichen Befugnis Gebrauch gemacht hat", als er die Kontrolle über die Nationalgarde übernahm.

Die drei Richter stellten außerdem fest, dass der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom kein Vetorecht gegen die Anordnung des Präsidenten hat, selbst wenn die Bundesregierung den Gouverneur von Kalifornien nicht vor der Entsendung der Garde benachrichtigt hat, wie es das Gesetz eigentlich vorsieht.

Der Historiker Manfred Berg über die Motive Trumps im Streit um die Entsendung der Nationalgarde.mehr

Vergangene Woche hatte das vom US-Justizministerium angerufene Berufungsgericht bereits die Anordnung von Bundesrichter Charles Breyer in San Francisco vorläufig blockiert. Breyer hatte die Entsendung der Nationalgardisten gegen den Willen von Gouverneur Newsom zuvor für rechtswidrig erklärt und gesagt, dass Trump mit seinem Vorgehen seine Befugnisse überschritten habe.

Die US-Regierung argumentierte, dass Gerichte die Entscheidungen des Präsidenten nicht hinterfragen dürfen.Trump konnte damit vorerst die Kontrolle über die Soldaten behalten.Mit der Entscheidung vom Donnerstagabend gab das Berufungsgericht ihm nun Recht.

Trump feierte die Entscheidung als "großen Sieg". Newsom hingegen kündigte weiteren Protest gegen das Vorgehen des US-Präsidenten an. "Der Kampf ist nicht zu Ende", erklärte er im Onlinedienst X. Kalifornien könnte den Fall nun vor das Oberste Gericht bringen.

Soldaten in Kampfmontur und Militärfahrzeuge: Erste Einheiten der Nationalgarde sind in Los Angeles angekommen.mehr

Dem Streit waren Demonstrationen in Los Angeles gegen Trumps harten Migrationskurs und Abschieberazzien der Einwanderungsbehörde ICE vorausgegangen.Die US-Regierung mobilisierte deshalb 4.000 Soldaten der Nationalgarde und 700 Marineinfanteristen der regulären Streitkräfte für den Einsatz in Los Angeles.

Die Soldaten trafen nach und nach ein und sollen nach Trumps Willen so lange in der Stadt bleiben, bis es keine Gefahr mehr gebe. Kaliforniens Gouverneur Newsom hatte sich gegen die Entsendung der Nationalgarde gestellt und gewarnt, diese könne die Situation weiter aufheizen.

In den USA haben im Normalfall die Bundesstaaten die Kontrolle über die Nationalgarde. Kommt es zum Krieg oder zu nationalen Notfällen, kann der US-Präsident das Kommando übernehmen.

Justizministerin will Schutz vor Einschüchterungsklagen verbessern

Wenn Unternehmen Personen oder Organisationen mit unbegründeten Klagen überziehen, sprechen Juristen von Einschüchterungsklagen. Dagegen will Justizministerin Hubig vorgehen. Sie sieht die Meinungsfreiheit gefährdet.

Mit einem neuen Gesetz will Bundesjustizministerin Stefanie Hubig gegen sogenannte Einschüchterungsklagen vorgehen und so die Meinungsfreiheit in Deutschland besser schützen. Bei dieser Form von Klagen würden "Organisationen, Vereine, Journalistinnen und Wissenschaftler mit missbräuchlichen Klagen überzogen, und zwar so massiv, dass sie hauptsächlich damit beschäftigt sind, sich zu verteidigen und das zu finanzieren", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Damit sollen sie mundtot gemacht werden."

Unter Einschüchterungsklagen verstehen Juristen offensichtlich unbegründete Klagen, die meist von Unternehmen, Regierungen oder einflussreichen Einzelpersonen angestrengt werden. Sie zielen laut Justizministerium darauf ab, missliebige Beiträge zur öffentlichen Meinungsbildung zu unterdrücken.

Die auf Englisch als "Slapp-Klage" (Strategic Lawsuit against Public Participation) bezeichnete Verfahren seien geeignet, "den freien öffentlichen Meinungsbildungsprozess zu gefährden", heißt es dem Bericht zufolge in dem Gesetzentwurf.

Ziel dieser Klagen ist es demnach, Betroffene davon abzuhalten, "von der grundrechtlich verbürgten Meinungs- und Pressefreiheit praktischen Gebrauch zu machen". Mit dem Gesetz zum Schutz vor solchen Maßnahmen setzt Deutschland eine entsprechendeRichtlinie der Europäischen Unionum.

Besonders ein Abschnitt sei Grund zur Sorge – zu Unrecht, wie Verfassungsrechtler sagen.mehr

Justizministerin Hubig hob hervor, dass die Klagemöglichkeit auch mit dem neuen Anti-Slapp-Gesetz bestehen bleibe. "Aber wenn das Gericht eine missbräuchliche Klage erkennt, kann es Hürden für den Kläger einbauen, etwa durch höhere Gebühren." So sieht es der Gesetzentwurf vor.

Außerdem sollen solche Verfahren laut Hubig schneller erledigt werden, "und die Kläger sollen den Beklagten die Kosten zur Abwehr der Klage in erweitertem Umfang ersetzen müssen". Gerichtsverfahren dürften nicht dazu missbraucht werden, "Menschen, die sich öffentlich engagieren, das Leben schwerzumachen".

Konfliktgebiete: So viele Kinder Opfer von Gewalt wie noch nie

Kinder waren 2024 in Konflikten einer Brutalität ausgesetzt wie nie zuvor. Ein UN-Bericht spricht von einem "erschütternden Anstieg". Unter anderem im Gazastreifen, in der DR Kongo und in Somalia sei es am schlimmsten.

Die Vereinten Nationen haben kritisiert, dass Kinder 2024 in Konfliktgebieten in beispiellosem Ausmaß Opfer von Gewalt geworden seien. Die meisten Gewalttaten wurden demnach im Gazastreifen, im Westjordanland, in der Demokratischen Republik Kongo, in Somalia, in Nigeria und in Haiti verübt. Das geht aus einem Bericht der Vereinten Nationen hervor.

Der Jahresbericht des UN-Generalsekretärs António Guterres über Kinder in bewaffneten Konflikten beschreibt einen "erschütternden Anstieg schwerer Verstöße gegen Kinder unter 18 Jahren um 25 Prozent im Vergleich zu 2023, als die Zahl solcher Verstöße bereits um 21 Prozent gestiegen war".

Im Jahr 2024 hätten Kinder die Hauptlast unerbittlicher Feindseligkeiten und wahlloser Angriffe getragen und seien von der Missachtung von Waffenruhen und Friedensabkommen sowie von sich verschärfenden humanitären Krisen betroffen gewesen, erklärte der UN-Chef.

Gerade für Kinder sei "die Lebensader fast versiegt", mahnt UNICEF. Hunger und Durst nähmen stetig zu.mehr

Insgesamt hätten die UN 41.370 schwerwiegende Verstöße gegen Kinder dokumentiert – 36.221 davon seien im Jahr 2024 begangen worden und 5.149 in früheren Jahren, aber erst im vergangenen Jahr bestätigt worden. Zu den Verstößen gegen Kinder zählen Tötung, Verstümmelung, Rekrutierung und Entführung, sexuelle Gewalt, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser und die Verweigerung des Zugangs zu humanitärer Hilfe.

Die UN setzte sowohl die israelische Armee als auch die Terrororganisation Hamas ein weiteres Jahr auf ihre schwarze Liste der Länder, die die Rechte von Kindern verletzen. Dem Bericht zufolge wurden die Tötung von 1.259 palästinensischen Kindern und die Verletzung von 941 weiteren im Gazastreifen bestätigt.

Guterres sagte, er sei "entsetzt über die Intensität der schweren Verstöße gegen Kinder und "zutiefst beunruhigt" über die hohe Zahl der von der israelischen Armee getöteten Kinder. Er forderte Israel erneut auf, sich an das Völkerrecht zu halten. Von der israelischen UN-Mission gab es zunächst keine Reaktion auf den UN-Bericht.

Bei einem Angriff im ukrainischen Krywyj Rih sind mindestens 19 Menschen getötet worden – darunter neun Kinder.mehr

Tief besorgt zeigte sich der UN-Chef auch über Gewaltverbrechen gegen Kinder in der Ukraine im Zuge der russischen Invasion. Dabei hob er besonders die nachweisliche Tötung von 94 ukrainischen Kindern, die Verletzung von 577 weiteren sowie 559 Angriffe auf Schulen und 303 auf Krankenhäuser hervor. Die UN setzten das russische Militär und verbündete bewaffnete Gruppen ein drittes Jahr in Folge auf ihre schwarze Liste.

Zurückweisungen an Grenzen: Machen sich Polizisten strafbar?

Innenminister Dobrindt will durch Zurückweisungen an der Grenze die Migration eindämmen. Die Gewerkschaft der Polizei befürchtet einen Rechtsbruch. Die Verunsicherung ist groß.

Seit dem 7. Mai gibt es an allen deutschen Grenzen verschärfte Kontrollen. Ihr Ziel: irreguläre Migration verhindern. Auch Asylsuchende können seitdem an den Landgrenzen zurückgewiesen werden. Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat dies kurz nach seinem Amtsantritt angewiesen und folgendermaßen begründet: "Es ist eine Maßnahme, die wir für notwendig erachten, um einer Überforderung der Kommunen und einer Überforderung der Systeme entgegenzuwirken." Dafür ließ er gezielt eine mündliche Weisung aus dem Jahr 2015 zurücknehmen, die dem entgegenstand.

An allen deutschen Grenzen kam es zwischen dem 8. Mai und dem 4. Juni zu insgesamt rund 3.300 Zurückweisungen – beispielsweise wegen abgelaufener Visa. Davon wurden 160 Personen aufgrund der neuen Weisung zurückgeschickt.

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Der Sachverständigenrat für Integration und Migration berät die Bundesregierung in Migrationsfragen und hat Dobrindt scharf kritisiert. Zurückweisungen sind nach EU-Recht nicht zulässig. Nur im absoluten Notfall darf ein Land das europäische Asylrecht umgehen. Den hat Dobrindt zwar geltend gemacht, doch Birgit Glorius, die stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrates und Professorin an der TU Chemnitz, widerspricht im Interview mitMDR Investigativ.

In den Kommunen bestünden zwar angespannte Situationen in allen Infrastrukturbereichen, die Neuzuwanderung betreffen. "Aber das ist regional sehr unterschiedlich." Und es liege nicht nur allein am Asylzugang, sondern insgesamt an überlasteten Strukturen, die über Jahre nicht richtig ausgestattet wurden, erklärt Glorius weiter. Ebenso am Fachkräftemangel. "Und wenn man das etwas genauer anschaut, bleibt da sehr wenig übrig von einer wie auch immer gearteten Notlage."

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Diese Ansicht vertrat auch das Verwaltungsgericht Berlin, als es am 2. Juni entschied, dass die Zurückweisung von drei Somaliern nach Polenrechtswidrig gewesen sei.Das Gericht mahnte an, europäisches Recht sei anzuwenden und es fehle an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

Dabei hatte Dobrindt schonam Tag der Verkündung des Berliner Urteils erklärt,dass er eine Erklärung nachliefern werde, worin der Notstand genau bestehe. Diese Aussage wiederholte er einen Tag danach in der Sendungmaischberger. Außer der Erklärung, dass die Kommunen überlastet seien, gab es bislang aus seinem Ministerium keine weitere Begründung. Auch nicht auf Nachfrage vonMDR Investigativ.

Doch Dobrindt hält weiterhin an seiner Anordnung fest, da das Urteil aus Berlin eine Einzelfallentscheidung sei. Eine andere Haltung vertritt Romy Klimke, Europarechtlerin von der TU Dresden. "Das Verwaltungsgericht Berlin macht vielmehr sehr deutlich, dass es sich um einen Fall handelt, der wahrscheinlich bei 98 – 99 Prozent anderer Geflüchteter, die an der Grenze zurückgewiesen werden und auch in Zukunft in den nächsten Wochen wahrscheinlich noch zurückgewiesen werden, sich ganz ähnlich darstellt." Das Berliner Urteil habe eine relativ klare Signalwirkung. Umso weniger überzeugend sei Dobrindts Argument, dass es sich um Einzelfallentscheidungen handele, ergänzt Klimke.

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Doch die Anordnung des Bundesinnenministers und die unterschiedlich interpretierte Rechtslage sorgen bei den Beamten vor Ort für Verunsicherung. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert eine schnelle und allgemeinverbindliche Klärung der Sachlage, denn in der jetzigen Situation könnten sich Polizisten an der Grenze strafbar machen.

Sven Hüber, stellvertretender GdP-Bundesvorsitzender, erklärtMDR Investigativ: "Wenn eine ministerielle Weisung, wenigstens nach gerichtlichen Feststellungen, rechtlich nicht zulässig ist, dann müssen die Beamten freigestellt werden von der persönlichen Verantwortung." Denn im Bundesbeamtengesetz sei geregelt, dass der Beamte für seine Handlung und damit auch für die Zurückweisung eines Asylsuchenden höchstpersönlich verantwortlich sei. Hüber findet deutliche Worte: "Und ich muss Ihnen sagen, in den Jahrzehnten, die ich jetzt bei der Bundespolizei bin, ist es mir noch nicht vorgekommen, dass die politische Entscheidung in Kauf nimmt, dass die ausführenden Beamten in Bredouille kommen."

Das Bundesinnenministerium teilt mit, dass man den Sachverhalt geprüft habe. Ergebnis: "Eine persönliche Haftung des einzelnen Beamten bzw. der einzelnen Beamtin scheidet grundsätzlich aus."

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Dass die Beamten in Bedrängnis kommen könnten, ist auch den Worten Angela Furmaniaks vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) zu entnehmen. Sie wurde am vergangenen Wochenende in Leipzig zur neuen Vorsitzenden des RAV-Vorstands gewählt. Den vorliegenden Sachverhalt kommentiert sie gegenüberMDR Investigativfolgendermaßen: Gerichtliche Entscheidungen anzuzweifeln und ihre Geltung in Abrede zu stellen, sei ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz und bedeute in seiner Konsequenz, dass exekutives Handeln über Recht und Gesetz gestellt werde. Furmaniak erklärt weiter: "Wir werden uns als Rechtsanwält*innen derartigen Angriffen entgegenstellen und diese 'Politik des kalkulierten Rechtsbruchs' nicht hinnehmen."

Aus dem Bundesinnenministerium heißt es in einer Antwort auf Nachfrage, dass die Grenzkontrollen und Zurückweisungen wirksam seien und die Anzahl der Asylanträge zurückgehe. Gemeinsam mit anderen Maßnahmen habe man eine "migrationspolitische Wende eingeleitet".

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